Aber etwas sagte er doch. In einem Interview schlägt Babariko die Entnationalisierung des Bildungssystems vor [27], nach dem skandinavischen Modell der nordischen Länder.
Im Frühjahr geriet der Bankier in ein Skandal im Zusammenhang mit der Firma seines Sohnes Eduard, der später sein Wahlkampfhauptquartier - die Ulej Plattform - leitete. Die Belgazprombank stellte dieser Plattform große Spenden für die Veröffentlichung von Büchern von Swetlana Alexijewitsch zur Verfügung. Es stellte sich heraus, dass der Online-Dienst 10% der Überweisungen erhielt, was vielen Menschen nicht bekannt war [30].
Im Juni warfen die Behörden Babariko Steuerhinterziehung vor, sowie den Versuch 400 Millionen Dollar über die litauische ATV-Bank aus dem Land abzuheben. Der Bankier steht nun unter Arrest. [31]
Die geläufigen wirtschaftlichen Pläne von Lukaschenkos Rivalen wurden von einer anderen Kandidatin zusammengefasst. In einem Interview mit der Zeitung "Belarusians and Market" sagte Anna Kanopatskaja, sie sei "eine konsequente Verfechterin der Entstaatlichung aller Wirtschaftsbereiche ohne Ausnahme: vom petrochemischen Komplex über den Bergbau bis hin zur Landwirtschaft und Luftfahrt"[32].
Die Hauptwaffe und gleichzeitig ein Laster im Lager von Lukaschenkos Gegnern waren verfälschte Informationen - zum Beispiel, über die extrem niedrige “reale” Anhängerschaft jetzigen Präsidenten - 3%. Ein kleiner Laden in der Hauptstadt "Simbal" fing sogar an, T-Shirts mit jener Aufschrift "PSIKHO3%" zu verkaufen. Euronews strahlte die Nachricht von Lukaschenkos 3%iger Anhängerschaft aus, entschuldigte sich aber dafür später und entfernte die Nachricht [33].
Und obwohl solch fiktive Statistiken den Protestierenden Zuversicht gaben, scheinen 24% im traditionell besonders oppositionellen Minsk durchaus real zu sein [34]. Die Falschmeldung über 3% offenbarte das Problem der belarussischen Soziologie. In der Republik verkündet nur der Staat das Rating der Politiker. Und da es wenig Vertrauen in solche Staatsstatistiken gibt, gibt es viele die so genannten "Volksbefragungen" auf Online-Ressourcen der Opposition glauben schenken.
Die Rede einer Vertrauensperson Tichanowskaja's in Hrodna mit einem Lob für Adolf Hitler war jedoch zweifelsfrei echt [35]. Und wenn man sich vor Augen führt, wie viel Zeit Tichanowskaja gebraucht hat, um sich von seiner Rede zu distanzieren, entsteht der Eindruck, dass solche Aussagen in den oppositionellen Kreisen keine Seltenheit sind. So beantwortete der NEXTA-Gründer die Frage darüber, was in Belarus besser als in Polen ist:
"In Belarus ist es sauberer. Mir geht es nicht nur um die Straßen, die von diesen armen Menschen gefegt werden. Ich meine auch, dass Belarus rassisch sauberer ist. Ich bin kein Rassist, aber es ist wirklich so. Niemand, sagen wir, will nach Belarus migrieren" [36].
Vorbereitung auf Repression und Ausbildungssystem für Aktivist*innen
In seinen Büchern erklärt Popović: Es ist möglich, eine Massenbewegung zu schaffen, wenn ihre Teilnehmer vor Polizeigewalt und Staatsverfolgungen keine Angst haben. Dies erfordert spezielle Seminare, die eine Person auf die mutmaßliche Inhaftierung, den Gerichtsprozess, den Gefängnisaufenthalt usw. vorbereitet. Aber richtige Trainingseinheiten für Tausende von Aktivisten "für Wahlen" fanden in Belarus nicht statt.
Es wurde nur eine Reihe von anonymen Initiativen in dieser Richtung geschaffen. So liefert beispielsweise der Online-Dienst "Zubr" [37] Daten über die Zusammensetzung aller Wahlkommissionen der Bezirke; die Plattform "Ehrliche Menschen" [38] sammelt Informationen über Wahlbeobachtung, Gesetzesverstöße und insbesondere über die Probleme bei der Unterschriftensammlung für alternativen PräsidentschaftskandidatInnen. Der Dienst vermittelt auch Arbeitsplätze für die Opfer von solchen Repressionen. Ein ähnlicher Dienst mit offenen Stellen ist auch auf ByChange [39] verfügbar. Aber Popović betont, dass die Rolle der Internet-Technologien nicht überbewertet werden sollte. Früher oder später sollen die Massen auf die Straße gehen.