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Gespräche mit Drogen

Letter from Vendor.

  • Letter
  • Dec 22 2022
  • Rico Zyrrano
    ist Autor und Verkäufer unserer Straßenzeitung.

Liebe Leser*innen,

wusstet ihr, dass es auch heute noch, in der Zeit fast schon nach der Aufklärung, noch süße, dunkle Geheimnisse gibt? Orthodoxe Moslems kennen zum Thema Drogen sinngemäß folgende Aussage (so hat es mir einer bei der Entgiftung gesagt): “Der Teufel hat sich einen von der Palme geschüttelt, davon sind auf der Erde die Gift- und Kornpflanzen gewachsen”. Andere, wie mein geistiger Vater und Lieblingsautor Timothy Leary, würden sagen: 

“For a lot of people, drugs work”

Ich bin einer davon. We, us. 

Ich habe mich darin geschickt gemacht, die unterschiedlichen Rauschmittel, Substanzen, wie einen wertgeschätzten echten Gesprächspartner zu sehen. Ja, ich suche eure Nähe. Halleluja! Sich von Gott geleitet fühlen zu lassen, ist ohne Ego leichter. Im Rausch scheint sich das Ego rund zu stoßen, zu verlieren. Unsere zwei Schaltkreise am Tag, den Chakren entsprechend. Für die anale Phase, Abbauprodukte und Heiligkeit sind Opiate und Heroin, die besonderen Gesprächspartner. So nah am Boden der Tatsachen, und doch so weit weg. William Burroughs Schreibweise von ganz unten hoch in den 7. Schaltkreis. Sein erstes Buch Junkie war ja noch sehr autobiografisch. Naked Lunch dagegen ist auf diese perverse, süße, verrückte Art ein erleuchtetes Werk. Auch ein Mann von der Straße wusste mir zu berichten, dass Heroin ihm die Demut des Kriegers gelehrt hat. Jedenfalls ist es von Stoff zu Mensch und von Stoff zu Stoff und von Mensch zu Mensch unterschiedlich. Ich kannte einen Namensvetter von mir, Albert. Ergotherapeut. Anthroposophisch. Er war auch der Ansicht, dass selbst Dinge, auch Drogen, so etwas wie eine Persönlichkeit, Matrix oder Seele haben. Doch grau ist jede Theorie. 

Ich möchte vor allem klarstellen, dass Substanzen wie Psychedelika oder auch Sophora und Meskalin-Kaktus, richtig benutzt, nicht das Geringste mit harten Drogen oder Giften wie Alkohol oder Heroin zu tun haben. Ihr merkt, wie ich abschweife – zurück zum Thema. Heroin konsumierte ich schon eine lange Zeit. Eine harte, aber auch schöne Zeit. Zurück in den Mutterleib, frei von jeglichem Stress, ohne denken – nur noch fühlen. Man ist auch nicht gleich verloren: Das erste Mal habe ich gleich gekotzt und bin eingeschlafen. H, dachte ich mir, was hab ich davon? Lieber zurück zum Kiffen. Das zweite Mal musste ich nicht kotzen, fand aber immer noch, dass es mich nur schwer macht. Der Funke sprang erst über, nachdem ich ein Softie-Produkt genommen hatte: das Medikament Valeron. Das hat mir in der Kommunikation mit Liebe, Freunden, Musik und THC-Produkten gefallen. Dann wieder eine lange Pause. Aber nicht mehr so lange. Nun, ich habe ja den Propagandafilm “Die Kinder vom Bahnhof Zoo” gesehen, mit Bowie. Er war in dem Streifen der einzige Lichtblick. Alles andere: mahnender Zeigefinger, böses Gift. Nun, es ergab sich, dass ich wieder einmal Heroin hatte, ein drittes Mal. Peng! Wow! Was ist das denn? Ich war verliebt. Und musste dann erleben, wie grausam man abstürzen kann. 

Irgendwann habe ich mich auf dem ersten starken Entzug befunden. Die Opiate haben mir ihre dunkle Seite ganz unmissverständlich gezeigt: Ich lass dich leiden. Sehr, wenn du nicht weiter machst. Magenkrämpfe, Panikattacken. Scheiße. Kein Geld, kein Job. Ausgestoßen aus der normalen Welt. Vielleicht wollten sie mich auch darauf aufmerksam machen, dass ich andere leiden lasse, zum Beispiel meine Eltern. Und da bin ich aber auch drauf gekommen durch eine Droge, die mich überhaupt erst darauf gebracht hat, dass eine Menge an so was wie Seele oder Geist steckt. Ich weiß, wie es war, wollte ich nicht nochmal haben. Das war echt Respekt einflößend. Damals fehlte noch alle Erfahrung. Ich war in einer Postbankfiliale voller Menschen und erlebte dabei Panik, Schmerzen, Durchfall, Angst und vielleicht noch andere Dinge. 

Da ich anti-autoritär erzogen wurde, wurden mir bis dahin keine ernst zu nehmenden Grenzen gesetzt. Im Entzug erfuhr ich Gemeinschaft: In der Realität der Disziplinierung merkte ich, wie das Mitmachen belohnt wurde. Damals noch. Was? Zwölf Monate. Wir hatten eine Sauna mitten im Wald. Keine Kompromisse. Später akzeptieren, differenzieren, verwenden. Nun, ich habe es, so wie es damals war, aufgesogen wie ein Schwamm. Joggen, wie krass anstrengend, jedoch lernte ich schnell. Joggen vor dem Frühstück mit Atzen im Wald, Geil. Die Sucht kennt nur ein Wort: schön. Meinen als grenzwertig titulierten, schön schrägen Humor hätten sie mir dort am liebsten auch abgezogen. Ich habe ihn heute noch. Ich bin inzwischen Ex-Junkie und echt schon stolz drauf. Drei, vier Jahre keine Nadel mehr. Nun suche ich mir aus, was mir Freude, Spaß und Wissen gibt. Wo ich nicht einverstanden bin, spiele ich nicht mit. Es berührt mich dann nicht. Jedoch waren es schöne und hässliche Zeiten. Mindfucks, Mindloves. Nun war da meine neue Konditionierung: Das Leben feiern ohne Drogen. Zu dieser Gratwanderung, liebe Leser*innen, werde ich auch noch kommen. Vielleicht in einem nächsten Kapitel über Koks.

 

Herzlich,

Rico Zyrrano

 



  • IMAGE CREDITS
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    Galli, o.T. (Keilbild), 1988
    Courtesy the artist; Kraupa-Tuskany Zeidler, Berlin
    Photo: Mark Mattingly, 2018

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